zum Content

Besichtigung des Transrapids in Lathen

Termin:  08.09.2006 13:39 Uhr
Ort: Lathen

Tagesexkursion am 8. September 2006 zur Transrapid Versuchsstrecke in Lathen

Mit Tempi 6 bis 400 durch das Emsland
Eine Fahrt in die Vergangenheit und Zukunft?

 

Gemäß dem Jahresschwerpunktthema „Mobilität“ wurde Hochgeschwindigkeit aufgenommen. Diesmal wurde eine Exkursion ins Emsland zur dortigen Teststrecke des Transrapids unternommen. Hierbei wurden die Teilnehmer von Herrn Gerhard Hugenberg, dem ehemaligen Geschäftsführer der Emsland GmbH, sowie den Herren Jansen und Helbing vom Ingenieurbüro HJT begrüßt.
Herr Hugenberg war maßgeblich daran beteiligt, dass die Teststrecke am Standort Lathen errichtet wurde. Daher referierte er zunächst über die Magnetbahn im Allgemeinen, um dann den Erfinder vorzustellen.

Im niedersächsischen Nortrup lebte an der vor dem Ersten Weltkrieg viel befahrenen Güterstrecke Rheine-Quakenbrück Hermann Kemper (1892-1977). Aufgrund des Aufbaues der kaiserlichen Marine in Wilhelmshaven wurde der notwendige Stahl von Duisburg aus nach Norden transportiert. Erste Gedanken wurden daher zu einer leiseren, umweltfreundlicheren und schnelleren Transportmöglichkeit gemacht. Nach Studium der Elektrotechnik in Hannover konnte Kemper, nachdem er die elterliche Wurstwarenfabrik übernehmen sollte, dieses jedoch seinem Schwager überließ, in seiner Garage zusammen mit dem Betriebsschlosser Versuche auf dem Feld der schwebenden Magnete machen. Patente hierzu wurden in den Jahren 1933 bis 1935 erteilt. Es zeigte sich, dass bei der Magnetschwebetechnik der Windwiderstand der einzig begrenzende Faktor ist. Folgerichtig befasste sich Kemper mit einem geschlossenen, fast luftleeren Röhrensystem, in dem Geschwindigkeiten bis zu 3000 km/h möglich sein sollten. Hierzu wurde 1938 das entsprechende Patent erteilt.
Kemper arbeitete anschließend bei der Aerodynamischen Versuchsanstalt in Göttingen, hier wurde die Magnetschwebebahn 1943 als nicht kriegswichtig eingestuft und die Arbeiten somit eingestellt. Erst Mitte der 1960er Jahre wurde die Idee der Magnetschwebetechnologie wieder aufgegriffen. Kemper erhielt zur Vollendung seines 80. Lebensjahres für seine Forschungsergebnisse den Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Erste Ideen der Abkehr vom Rad-Schiene-System konnte der Franzose Girard mit seiner Gleitbahn 1864 entwickeln. Diese nahm die Grundzüge der späteren Magnetschwebetechnik vorweg. Auch die Einschienenbahn von August Scherl von 1909 ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Man kann davon ausgehen, dass diese und andere Gedanken Hermann Kemper bekannt waren. Gleichwohl ist er der erste, der Magnete durch regelbare Steuerungen „zum Schweben“ brachte.

Dabei umfasst das Schwebefahrzeug den Fahrweg, in das beidseitig Längsfluss-Elektromagnete angebracht sind. Im Fahrweg selber sind die Eisenpakte installiert. Beide zusammen bilden den Antriebsmotor des Transrapids, den Langstator-Linearmotor. Hier liegt der Vorteil darin, dass der aktive Teil im Fahrweg untergebracht ist, so dass eine Übertragung auf das Fahrzeug entfällt. Der Linearmotor ist dabei in Abschnitte unterteilt, die getrennt an- und wieder abgeschaltet werden können. Mit dem Verfahren ließen sich Geschwindigkeiten auf der Lathener Teststrecke bei unserer Fahrt von über 400 km/h erreichen.

1970 wurde das Funktionsmodell Transrapid 01 von der Krauss-Maffei AG gebaut werden. Bereits der erste für Personen benutzbare Transrapid 02 konnte auf einer Fahrweglänge von 930 m eine Geschwindigkeit von 164 km/h erreichen. Am 21.11.1977 erreichte der Transrapid 04 mit einem Asynchron-Kurzstator-Linearmotor die Marke von 253,2 km/h. Seit 1999 fährt der Transrapid 08 auf der Versuchsstrecke in Lathen.

Das Fahrzeug hat bei den letzten Modellen eine Schwebehöhe von ca. 10 mm gegenüber dem Fahrweg. Gerade bei den genannten Geschwindigkeiten ist somit eine exakte Vermessung des Fahrweges unabdingbar. Während der Fahrweg als solcher in herkömmlicher Stahl-Beton-Bauweise noch mit üblichen Toleranzen herstellbar ist, gelten für die Tragführ- und Seitenführkonstruktionen andere Genauigkeiten. Hier liegen die Toleranzen im Submillimeterbereich. Da der Fahrweg auf 1/100 mm genau gefräst werden kann, ist die ständige Überprüfung der Trassierungselemente in Grundriss, Gerade, Sinusoide und Kreis, sowie in der Gradiente von Gerade, Klotoide und Kreis notwendig. Durch Aufmass lassen sich die Vorgaben aus der Trassierung in einem Meter Abstand prüfen. Zum Einsatz kommen daher Präzisionstachymeter, Präzisionsnivellier, Lasertracker und Spezialmesslehren wie Spurweitenlehren und Versatzmesslehren.

Insgesamt konnte in Lathen eine faszinierende Technik „Made in Germany“ erfahren werden. Diese Technik ist aber nach wie vor umstritten, wie die Beispiele des Metrorapides oder der Strecke Hamburg-Berlin zeigen.

Als Kontrast zu High-Tech wurde im Moormuseum Geeste die emsländische Vergangenheit erkundet. Gerade die Feldbahn, die seinerzeit die Abbaugebiete erschloss, ist gegenüber dem Transrapid zu benennen, was Geschwindigkeit und Fahrwegeigenschaften anbelangt. Als weiterer maschineller Glanzpunkt ist der Einsatz des größten Tiefenpfluges „Mammut“ zu nennen, der im Rahmen des Emslandplanes Anfang der 1950er Jahre eingesetzt wurde. Bewegt wurde dieser von den beiden Lokomobilen Magdeburg und Thüringen der Fa. Ottomeyer. Beide mit je ca. 480 PS Leistung ausgestattete Maschinen waren in der Lage, den „Mammut“ auf einer Entfernung von bis zu 500 m zwischen sich hin und her zu ziehen, um diesen bis 2 m tief im Rahmen der Sandmischkultur pflügen zu lassen.
Daneben wurde in der Ausstellung und in weiteren Bereichen des Außengeländes der Torfabbau von der Handarbeit bis hin zum Einsatz kleinerer Maschinen anschaulich verdeutlicht.

Nur wenige Tage nach unserem Besuch auf der Transrapid-Teststrecke ereignete sich ein tragischer Unfall. Der VDV trauert mit den Angehörigen der Opfer und spricht ihnen sein Mitgefühl aus. Das Unglück zeugt davon, dass die Technik und insbesondere die Sicherheitsaspekte der innovativen Technik stetig überarbeitet werden müssen - es sollte jedoch nicht den Transrapid gänzlich in Frage stellen.
Wir bedanken uns bei den Referenten und Museumsführer für die ausführlichen Erläuterungen ihrer Sachgebiete.