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Verleihung des Goldenes Lotes 2006 an Dr.-Ing. h.c. Eberhard Burger am 20.10.2006 in Köln

Dr.-Ing. h.c. Eberhard Burger wurde am 26. Juli 1943 in Berlin geboren. Von 1962 bis 1968 absolvierte er das Studium an der TU Dresden, Fachrichtung Bauwesen. Es folgten Aufgaben als Bauleiter, als technischer Leiter und als Gruppenleiter. Sein erstes Bauwerk war das Kernkraftwerk Lubmin bei Greifswald, für das er die Baustelleneinrichtung zu bauen hatte. Es folgten Bauwerke wie das Gebäude für Robotron oder das Rundfunk- und Fernmeldetechnikgebäude in Dresden.

1980 wechselte Eberhard Burger in das Amt des Kirchenbaurats beim Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamt in Sachsen. In den folgenden Jahren übernahm er die Leitungen von mehreren Bauvorhaben aus dem Sonder- und Neubauprogramm der Evangelischen Kirche in Sachsen.

Seit 1998 ist Eberhard Burger der Vorsitzende der "Europäischen Vereinigung der Dombaumeister, Münsterbaumeister und Hüttenmeister", deren Mitbegründer und Initiator er auch war.

Der bisherige Höhepunkt seiner beruflichen Laufbahn ist zweifelsohne die Funktion der Baudirektors für den Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche, die er 1992 übernahm. Gleichzeitig übernahm Burger 1995 die Aufgabe des Geschäftsführers und 2001 die Aufgabe des Sprechers der Stiftung Frauenkirche Dresden.

Für diese Leistungen beim Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche ehrte der VDV Herrn Dr.-Ing. h.c. Eberhard Burger mit der höchsten Auszeichnung des Verbandes, dem Goldenen Lot.

Rede des VDV-Präsidenten Dipl.-Ing. Wilfried Grunau anlässlich der Überreichung des Goldenen Lotesan Dr.-Ing. h.c. Eberhard Burger in Köln am 20.Oktober 2006

- Es gilt das gesprochene Wort -

(Anrede)

Alle menschliche Kultur geht in ihren Ursprüngen auf Technik zurück. Die Geschichte der menschlichen Kultur und Zivilisation ist immer auch Geschichte der Technik. Kultur manifestiert sich nicht nur in den elementaren Künsten wie Malerei, Plastik und Musik. Auch die Ingenieurkunst ist Spiegel des Kulturzustandes der Gesellschaft. Technik und Kunst haben den Menschen von Anbeginn begleitet. Sie haben die gleiche Wurzel - die schöpferische gestaltende Phantasie des Menschen. Die Ingenieurkunst ist, wie auch die Heilkunst, eine der ältesten nützlichen Künste. Das Ingenium, die geistig-schöpferische Kraft, war schon immer Grundlage und Antrieb dieser Kunst.

Technik hingegen ist ein Ergebnis gesellschaftlichen Wollens und Schaffens - mit zahlreichen Beteiligten.

  • Wissenschaftler erforschen die materiellen und kulturellen Grundlagen der Welt und erweitern damit die Möglichkeiten technischerArbeit.
  • Manager entscheiden über Investitionen und die Ausrichtung von Unternehmen.
  • Ingenieure konstruieren technische Systeme und bereiten deren Produktion vor.
  • Kaufleute suchen sie am Markt zu platzieren und
  • Politiker geben die entsprechenden Rahmenbedingungen vor.

Die Aufzählung ließe sich verlängern. Wir Ingenieure sind an diesem Prozess in zahlreichen Funktionen beteiligt - manchmal auch als Wissenschaftler, Manager, Kaufleute und Politiker. Ingenieure sind zwar nicht allein verantwortlich für die Technik, besitzen aber doch einen zentralen und, wie ich meine, unverzichtbaren Einfluss.

Aus heutiger Sicht erscheint Technik manchmal lebensfremd, meist abstrakt und fast immer komplex. Mitunter wird sie als Disziplin den Naturwissenschaften untergeordnet, etwa im Sinne angewandter Naturgesetze beim Bau von Apparaturen und Geräten. Aus historischer und kulturanthropologischer Perspektive gesehen, nutzte der Mensch technische Artefakte, beispielsweise einfache Steinwerkzeuge oder Naturfarben, bereits lange vor seinen ersten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Viele technische Errungenschaften wie zum Beispiel das Rad, der Buchdruck oder die Entdeckung und Nutzung der Kernkraft beeinflussten maßgeblich die Geschichte der Menschheit.

Technik diente dem Menschen von Anbeginn seiner Evolution als Mittel zur gestaltenden Veränderung seiner Umgebung, zur Nutzung natürlicher Ressourcen für seine Zwecke und natürlich zur auch Verwirklichung kultureller Handlungen - z.B. durch die Errichtung von Kirchen.

Hieran wird deutlich, dass Technik untrennbar verbunden ist mit der menschlichen Existenz. Ihre kulturelle Funktion ist die Möglichkeit der Gestaltung und des Ausdrucks der Umwelt des Menschen nach seinen Bedürfnissen und Interessen. Ihre soziale Funktion sind die dadurch hervorgerufenen Auswirkungen auf bzw. Veränderungen von gesellschaftlichen Verhältnissen. Damit wird auch deutlich, dass Technik als soziales System von normativen Grundlagen in der jeweiligen Gesellschaft abhängig ist. Technische Entwicklungen als Segen oder als Fluch einzuschätzen, ist Ausdruck dominanter gesellschaftlicher Werteinschätzungen.

Unser modernes Zeitalter zeichnet sich nunmehr dadurch aus, dass Kern-, Gen- und Biotechnologien zu Machtfaktoren geworden sind und auf multimedialen Datenautobahnen das Industriezeitalter längst abgelöst haben. Der Wissenszuwachs der Menschheit von der Kopernikanischen Wende des heliozentrischen Weltbildes bis zur Quantenmechanik hat im Laufe der Zeit in vier Bereichen zu grundlegenden Erkenntnissänderungen und damit Wandlungen der Gesellschaft geführt:

  1. kosmologisch: Kopernikus nahm den Menschen das altvertraute geozentrische Weltbild des Ptolomäus.
  2. biologisch: Darwin vermittelte den Menschen die Vorstellung ihrer Abstammung aus der Tierwelt.
  3. psychologisch: Freud zeigte den Menschen die grundsätzliche Einschränkung ihrer vernünftigen Wesenheit.
  4. chaotisch: Einsteins Relativitätstheorie führte zu der Einsicht, dass Raumdistanzen in Zeitdistanzen übersetzt werden müssen und der Mensch damit einem Raum-Zeitlabyrinth ausgeliefert ist. Der Weltzustand kann also nicht für jeden beliebigen Zeitpunkt in Differentialgleichungen angegeben werden, wie Laplace in mechanistischer Manier noch behaupten konnte, sondern er unterliegt chaotischen Prinzipien.

Meine Damen und Herren, der Weg der technischen Evolution ist irreversibel und kann nicht zurückführen zur reinen Natur im Sinne von Rousseau. Der Technik-Philosoph Hans Sachse vermerkte 1972 dazu: "Wer erklärt, wir sollten jemals ohne die Vorteile leben, welche die moderne Technik uns gebracht hat, ist ein Narr. Wer aber meint, die technischwissenschaftliche Rationalität mache das Ganze unseres Daseins aus, ist zwar noch ein Mensch, aber als dessen Karikatur".

Und dennoch oder gerade deshalb gibt es Menschen, die Technik nicht verantwortungsvoll einsetzen. Dies kann im schlimmsten Fall mit der Zerstörung unserer Umwelt, mit der Vernichtung unserer Kulturgüter enden. Warum das so ist, warum Menschen so handeln, dafür gibt es viele Erklärungsversuche - allein geändert haben sie kaum etwas. Verantwortung, meine Damen und Herren hat etwas mit der "Antwort" zu tun. Das trifft auf den deutschen Begriff der Verantwortung ebenso zu wie das englische "responsibility" oder das französische "responsabilité". Ursprünglich stammt der Begriff aus dem Bereich der Rechtsprechung, wo er sich auf die Antwort gegenüber dem Richter bezieht. Die moderne Verwendung des Begriffs in der Moralphilosophie ist erst ca. 100 Jahre alt. Dennoch hat der Begriff inzwischen eine Bedeutung erlangt, die der des zentralen Begriffs der Ethik, der Pflicht, nahe kommt. In Anlehnung an Kant bezeichnet Pflicht dasjenige, was jemand aus unbedingten moralischen Gründen tun soll (kategorischer Imperativ).

Dr. Eberhard Burger hat es als seine Pflicht gesehen, sich einer äußerst schweren und auch technisch sehr anspruchsvollen Aufgabe im Dienste unserer Gesellschaft zu stellen. Dazu brauchte es Mut, Tatkraft und die Fähigkeit, die Menschen für die Realisierung eines Traumes zu begeistern. Das ihm das gelungen ist, haben wir vor einem Jahr erleben dürfen. "Dresden bekommt seine Seele zurück", war nur eine der Meldungen, die damals über den Ticker gingen.

Mit dem "Goldenen Lot", der höchsten Auszeichnung unseres Verbandes, dem VDV, ehren wir deshalb heute Abend Herrn Dr.-Ing. E.h. Eberhard Burger für seinen aktiven Einsatz als leitender Baudirektor für den Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche. Eberhard Burger ist in dem Maße, wie die Frauenkirche vor den Augen der Weltöffentlichkeit wieder emporwuchs mehr und mehr zu einer Leitfigur für den Wiederaufbau der Frauenkiche geworden, von beträchtlicher Ausstrahlung nach innen und nach außen. Gleichzeitig mit dem Wiedererstehen der Kirche haben wir das Wiedererstehen der Silhouette eines historischen Stadtbildes erlebt, das wir so lange schmerzlich vermissen mussten. Die Dresdener Frauenkirche ist nicht nur eine bloße technische Perfektion, sondern sie ist ein Bauwerk aus einem Guß, eine künstlerische Einheit. Sie ist aber zugleich auch ein Symbol für Versöhnung und Neuanfang, für Frieden und Verständigung.

Eberhard Burger hat sein ganzes Engagement der Vision einer wiedererstehenden Frauenkirche gewidmet - Stein für Stein für Stein. Dafür sprechen wir ihm heute Dank und Anerkennung aus.