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„Alte Datenbestände sind nicht unantastbar“ - Interview der Ingenieurkammer-Bau NRW

Die IK-Bau NRW hat Mitte Juni ein Thesenpapier mit dem Titel "Behandlung der Gebäude im Geobasisinformationssystem (GBI)" beschlossen. Hintergrund ist die Absicht des Innenministeriums, den rechtlichen Rahmen für eine zukunftsgerechte digitale Arbeitserledigung der öffentlichen Aufgaben im Bereich des Liegenschaftskatasters neu zu setzen. Wir haben mit den beiden Vorstandsmitgliedern der IK-Bau NRW, Dipl.-Ing. Burkhard Kreuter und Dr.-Ing. Andreas Rose, über die Reformpläne des Ministeriums und den Inhalt des Positionspapiers gesprochen.

 

IK-Bau NRW:

 Was ist der Hintergrund und Anlass dieses Thesenpapiers?

Andreas Rose:

 Der Anlass war, dass die Berufsverbände, die kommunalen Spitzenverbände und die Ingenieurkammer-Bau seit 2019 mit dem Ministerium darüber im Gespräch sind, wie Gebäude in das Liegenschaftskataster aufgenommen werden sollen. Es gab unterschiedliche technologische Vorschläge auch dazu, welche Personenkreise mit dieser Aufgabe betraut werden sollten. Auch die Frage der Finanzierung war umstritten. Es war schwierig, einen Konsens zu finden. Die IK-Bau hat deshalb herausgearbeitet, welche grundlegenden und wichtigen Eigenschaften wir benötigen. Wir haben versucht, diese Eigenschaften möglichst knapp zu formulieren und in das Positionspapier aufzunehmen.

Burkhard Kreuter:

 Es begann damit, dass das Innenministerium die Gebäude als Teil des Liegenschaftskatasters gänzlich in Frage stellte. Wir waren und sind auch der Meinung, dass Änderungen im Prozess der Datenerfassung notwendig sind, um die Aktualität der Daten zu verbessern. Es gab jedoch keine einvernehmliche Lösung in Bezug auf die Datenqualität. Daher warten wir gespannt darauf, was nun geschieht. Das Ministerium ist jetzt am Zug, nachdem die Kammer ihr Positionspapier vorgelegt hat.

 

IK-Bau NRW:

 Wie lautet aus Ihrer Sicht die Kernthese des Positionspapiers?

Burkhard Kreuter:

 Der Hauptknackpunkt ist, dass es unterschiedliche Anforderungen an die Datenqualität des Gebäudebestands im Liegenschaftskataster gibt. Die Diskussion darüber, wie man damit umgehen sollte, dauert schon recht lange, ist aber bis heute nicht hinreichend geklärt. Es gibt viele Verzahnungen zum Bau- und Planungsprozess, bei denen das Bauministerium und ein funktionierender Austausch zwischen den beteiligten Ministerien gefragt sind.

Andreas Rose:

 Ein wesentliches Motiv des Positionspapiers ist deshalb, den beiden beteiligten Ministerien den Standpunkt der Kammer deutlich zu machen und ihnen eine Beratungsgrundlage zu bieten. Tatsächlich wurde die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit von Daten seinerzeit nicht gestellt, und diesen Aspekt wollten wir als Kammer in die Diskussion einbringen. Der Ausgangspunkt war, dass es unterschiedliche Prozesse gibt, die unterschiedliche Anforderungen an die Genauigkeit der Daten stellen.

 

IK-Bau NRW:

 Wann sind qualifizierte Daten erforderlich und in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen sind sonstige Gebäudedaten akzeptabel?

Andreas Rose:

 Für alle Zwecke im Baubereich benötigen wir qualifizierte Daten, also Daten mit hoher Vertrauenswürdigkeit und Genauigkeit. Nicht alle Daten im Liegenschaftskataster sind ausreichend qualifiziert. Das ist auch nicht weiter tragisch, wenn man richtig mit ihnen umgeht. Eine Genauigkeit von 20 cm reicht für die Berechnung von Grenzabständen nicht aus. Hier muss man sich ehrlich machen. Wie Burkhard Kreuter es ja schon sagte: Im Baubereich sind die Anforderungen an die Qualität der Daten eben höher als in anderen Bereichen. Uns geht es darum, dass man erkennen kann, wozu die Daten genutzt werden können.

Burkhard Kreuter:

 Wenn man einen Bauantrag stellt und bereits eine Vorstellung davon hat, wie das Haus aussehen soll, kann man es als geplantes Gebäude mit entsprechender Kennung erfassen. Im Laufe des Baufortschritts sollten die Daten dann weiter qualifiziert werden.

Andreas Rose:

 Derzeit wird die mangelnde Aktualität der Karten beklagt, und dieser Einwand ist nicht unberechtigt. Es wäre ein Fortschritt, das Wissen über zukünftige Bauvorhaben in die Karte aufzunehmen. Ich sehe hier auch kein großes Problem. Wenn der Bauherr bereits so weit ist, einen Bauantrag zu stellen, hat er eigentlich schon alles fertig. Die Finanzierung ist gesichert, die Baupläne liegen vor, es muss nur noch gebaut werden. Daher ist dies ein guter Zeitpunkt, die Planungsdaten in die Karte zu übernehmen. Sobald der Bauherr gebaut hat, muss dann aber dafür gesorgt werden, dass diese Daten durch genaue Daten ersetzt werden. Die Karte muss so genau sein, dass der Nachbar, wenn er ebenfalls baut, sich auf die Liegenschaftskarte verlassen kann, damit er nicht mit der bestehenden Bebauung in Konflikt gerät. Ich bin der Meinung, dass der Bauherr bzw. der Grundstückseigentümer die Verantwortung hat, also das Verursacherprinzip gilt. Das Positionspapier besagt ebenfalls, dass die Kosten für die qualifizierte Verbesserung der Daten vom Bauherrn bzw. Grundstückseigentümer und nicht von der Allgemeinheit getragen werden sollten. Wenn die Karte ungenau ist, bleibt jedem Bauherrn nichts anderes übrig, als auf eigene Kosten die Umgebung des Gebäudes vermessen zu lassen, um eine präzise Planungsgrundlage zu haben. Diese Daten müssen dann an das Liegenschaftskataster übergeben werden. Wäre das nicht so, müssten alle Nachbarn die gesamte Nachbarschaft auf eigene Kosten erneut vermessen lassen. Das passt nicht zum Konzept des Liegenschaftskatasters, daher benötigen wir eine klare Kostenregelung.

 

IK-Bau NRW:

 Welche Rolle spielt die Frage nach der Qualität und Aktualität der Daten?

Burkhard Kreuter:

 Die Gebäudedaten entsprechen nicht unseren heutigen Anforderungen, da sie zum Teil noch im vorigen Jahrhundert oder noch früher gemessen wurden. Einige wurden aus alten Karten digitalisiert, bei denen Maßstäbe verwendet wurden, die jenseits von Gut und Böse sind. Aus diesen Daten lassen sich keine Abstandsflächen ablesen. Wenn sich eine Scheune mitten auf einem Feld befindet, ist es nicht so wichtig, ob sie fünf Meter weiter rechts oder links steht. Auf der Königsallee in Düsseldorf spielen dagegen Millimeter eine große Rolle. Das sind die feinen Unterschiede. Daher können die Daten nicht pauschal betrachtet werden. Es ist notwendig, jedes einzelne Objekt zu berücksichtigen und zu überlegen, was in diesem Fall sinnvoll ist. Die Aktualität der Gebäudedaten ist von elementarer Bedeutung. Sobald draußen ein Gebäude steht, muss sehr zeitnah sein Nachweis im Liegenschaftskataster auftauchen.

Andreas Rose:

 Ja, das sehe ich auch so. Man muss in jedem Einzelfall betrachten, woher die Daten stammen. Die Vermessung von Gebäuden im Jahr 1960 war beispielsweise eine völlig andere als heute. Aber die Grundstücke werden immer kleiner, die Bebauung immer dichter, daher spielen Zentimeter eine große Rolle. In der Karte sollte erkennbar sein, dass diese Daten nicht qualifiziert sind. Eine solche Kennzeichnung wäre auch für die Bauämter nützlich. Sie könnten dann bei Bedarf von den Eigentümer bzw. Bauherren qualifizierte Daten einfordern. Der Aspekt der Vertrauenswürdigkeit der Daten liegt mir am Herzen. Digitalisierung ist ja in allen Verwaltungen ein Riesen-Thema. Letztlich läuft sie darauf hinaus, dass Verwaltungsentscheidungen auf Grundlagen digitaler Daten auch digital ablaufen. Aber das kann nur gut gehen, wenn man den Daten auch vertrauen kann. Wenn man in diese Prozesse Daten einspeist, bei denen man nicht weiß, ob man ihnen vertrauen kann, geht man erhebliche Risiken ein. Daher ist uns wichtig, dass am Anfang der Kette vertrauenswürdige Daten stehen. Aus diesem Grund sollten qualifizierte Daten nur von Vermessungsstellen erhoben werden. Die Katasterämter und die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure, das sind die Vermessungsstellen, denen das Gesetz eine besondere Vertrauensstellung einräumt.

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