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Besichtigung der DB-Strecke Lünen–Münster in Werne

Termin:  18.09.2020
Ort: Werne

hier: Vermessungsarbeiten zur Dammsanierung

Die Firma Wittfeld gab dem Bezirk Dortmund am 18.9.2020 die Möglichkeit, die o.g. Strecke zu besichtigen und darüber durch Dipl.-Ing. Jürgen Wermter, Herne, mehr über die Vermessungsarbeiten zur Dammsanierung zu erfahren. Für Dortmunder und Fahrgäste aus dem östlichen Ruhrgebiet ist die eingleisige Strecke mit Ausweichstrecken im Gegenverkehr die schnelle Verbindung nach Hamburg.

Mängel am Bahndamm mit zeitweiliger Streckenstillegung
Im Herbst 2018 traten an mehreren Stellen im Abschnitt Lünen–Münster erneut (erstmals 1990) Schäden am Bahndamm auf, die die Gleislage beeinträchtigten. Es zeigten sich ca. 2.000 Setzrisse u. a. an der Dammschulter. Infolge der Schäden musste die Geschwindigkeit in den betroffen Bereichen von Werne auf 3,3 km und Ascheberg auf 1,9 km von 160 km/h auf 70 km/h und die Streckenklasse von D4 auf B2 reduziert werden (Bild 1). Zur Überwachung der Schadbereiche wurde ein Monitoring in Form von an den Oberleitungsmasten angebrachten Tachymetern und auf sowie neben den Schwellen montierte Prismen von der Firma Angermeier installiert. Über Funk wurden die Messdaten zur Auswertung transferiert und der DB Netz AG zur Verfügung gestellt. Um die Auswirkungen einer möglichen Hangbewegung zu erfassen, wurden als zusätzliche Sensorik am Damm unterhalb der Risse 234 dreiachsige Neigungssensoren auf einem Erdspieß eingebracht und mit einem Mobilfunk-Gateway von der Firma Senceive, London, zusammengeführt.

Vermutlich sind die Dammrisse durch die trockenen Sommer der letzten zwei Jahre im tonigen Boden entstanden. Zur Sicherung des Bahndammes wurden verschiedene Möglichkeiten der Sanierung untersucht. Man entschied sich für ein Spundwand-Stützbauwerk im Abstand von mind. 3,8 m zur Gleisachse von 4 m bis 9 m langen Spundbohlen in aufgelöster Anordnung und mit gegenseitiger Verspannung (in Bauabschnitte à 120 m). Die Spundbohlen sollten zunächst über einen Rammbagger vom Gleis aus eingebracht werden. Dazu wurden neben dem Gleis Baggermatratzen ausgelegt. Zur Überbrückung der 1,4 m unter der Schienenoberkante (SO) einzubauenden Spundwandoberkante wurde eine Verlängerung am Bagger angebracht. Verschiedene Probleme führten dazu, dass das Gleis und der Schotter sowie auch später die Oberleitung entfernt werden mussten (Bild 2).

Die Strecke wurde am 6. Januar 2020 voll gesperrt. Ein Schienenersatzverkehr sowie eine Umleitung der Fernzüge über Hamm sowie Recklinghausen wurden eingerichtet. Nachdem im Juni 2020 auch Schäden am Oberbau festgestellt wurden, ist nun die Wiederherstellung der Strecke am 9.Oktober erfolgt.

Die Dammsanierung mit Vermessung
Die Firma Wittfeld GmbH, Herne, bekam im Herbst 2019 den Auftrag zur Dammsanierung mit Baukosten von ca. 24 Mio. EURO. Der Auftragsumfang sah u. a. auch Planungsleistungen vor, die das Ingenieurbüro BSI, Ingenieurgesellschaft, Dresden, als Subunternehmer erbracht hat. Hierzu erfolgte für die Planung und Abrechnung ein neues Geländeaufmaß. Zuvor hatte die DB Netz AG das Urgelände mittels Drohnen (mit Lidar Scanner) aufgenommen. Vergleiche beider Aufnahmen lagen trotz hohen Bewuchses und großer Einschnitte im 5-cm-Bereich.

Dazu wird als Grundlage der Vermessungsarbeiten das DB eigene Festpunktfeld DB_REF genutzt.

Zur Absteckung und Aufmaßen setzte Herr Wermter die TOPCON GNSS Empfänger Hiper VR und Hiper HR ein, die alle vier Satellitensysteme (GPS, Glonass, Galileo, Beidou) zur Positionsbestimmung verarbeiten können. Auf der Eisenbahnüberführung über den Nordlippering hat Wermter eine eigene Referenzstation (Hiper VR) installiert (Bild 3) und diese über PS1 Punkte, verteilt über das gesamte Baufeld, kalibriert. Mit diesem Aufbau konnten u. a. nicht nur die beidseitigen Spundwände und seitlichen Betonstreifen abgesteckt werden, sondern auch mittels der 3D/GPS-Steuerung von zwei Fertigern der Einbau des Schotterplanums. Die an den Oberleitungsmasten angebrachten Gleisvermarkungspunkte (GVP) wurden wegen der möglichen Bodenbewegungen durch das Rammen und des Baustellenverkehrs stichpunktartig überprüft (Bild 4). Behindert wurden die Vermessungsarbeiten durch neue Vorschriften für die Ausführung von Erdungskabeln, die breitere Kabelschuhe vorsehen. Dies führte dazu, dass die Erdungskabel zur Messung der GVP ab- und angeschraubt werden mussten. Zur längerfristigen Überwachung der sanierten Schadbereiche wurden Inklinometerrohre in den Damm direkt bei den Spundbohlen eingebaut sowie Konvergenzbolzen daneben an die Spundbohlen angeschweißt.

Nach Fertigstellung der Baumaßnahme sind vom Auftragnehmer Bestandsunterlagen in digitaler Form an DB Netze zu liefern. Da derzeit das „alte GIS“ bei der DB AG auf das neue AVANI umgestellt werden soll und die Details noch nicht bekannt sind, werden alle erforderlichen Aufmaße möglichst schon vor Inbetriebnahme digital fertiggestellt. Das sollte dann keine Probleme mit der Schlussrechnung und Gewährleistung (5 Jahre) geben, meinte Wermter hoffnungsvoll.

Begehung des Sanierungsabschnittes Werne von km 8,8 bis km 12,2
Auf der Brücke über den Nordlippering konnten die Teilnehmer die schon weit fortgeschrittenen Arbeiten in Augenschein nehmen (Bild 5). Wermter hatte dort eine eigene Referenzstation in Betrieb und demonstrierte die schnelle Absteckung mit dem Rover-Stab. Ein Blick in die Schutzrohre für die Inklinometer sowie die Konvergenzbozen rundeten das Thema der langfristigen Überwachungsmöglichkeiten ab. Eine Vorstellung von der Breite des angedachten zweigleisigen Ausbaus konnten sich die Besucher im Bereich des Anschlussgleises nach IKEA machen. Die davor gelegene Brücke kann das zweite Gleis nicht aufnehmen. Sie wäre nur durch einen kompletten Neubau zu ersetzen. Dieser geplante 45 km lange Ausbau ist schon mehrere Jahrzehnte in der öffentlichen Diskussion und seit 2003 im Bundesverkehrswegeplan enthalten. Eine geplante Geschwindigkeitserhöhung auf 200/230 km/h würde eine Verdichtung des Regional- und Fernverkehrs herbeiführen und die aktuelle Zugkreuzung im Bahnhof Capelle entfallen lassen. Nach dem Beschluss zum Ausbau sah die Grobplanung 2008 Kosten von 180 Mio. EUR vor, die nach vertieften Untersuchungen 2010 auf ca. 380 Mio. EUR korrigiert wurden, die damit im Kosten/Nutzen-Verhältnis von < 1.0 nicht darstellbar waren. Schade, mit dem zweigleisigen Ausbau wäre das ein Schritt für den schnellen Verkehr nach Hamburg geworden.

Eine ausführliche Diskussion schloss sich in der Bauleitung diesem hervorragenden Vortrags- und Besichtigungsprogramm an, besten Dank an Herrn Wermter. Eine Nachbetrachtung konnte u. a. mit VDV-Themen bei Strobels im Solebad Werne bei bestem Wetter draußen stattfinden.