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Landesverbandstag 2014

Termin:  04.04.2014 09:30 Uhr
Ort: Hotel Steinsgarten, Hein-Heckroth-Straße 20, 35390 Gießen

 

 

Zum Landesverbandstag 2014 in Hessens Mitte, im „Hotel Steinsgarten“ in Gießen konnte VDV-Landesvorsitzender Bernd Sack wieder zahlreiche Mitglieder und Ehrengäste begrüßen. Sein besonderer Gruß galt u.a. Anita Schneider, Landrätin des Landkreises Gießen, Wolfgang Greilich, Vizepräsident des Hess. Landtags, Karl-Heinrich Franz, Referent im Hess. Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Gerd Köhler, ständiger Vertreter des Präsidenten des Hess. Landesamtes für Bodenmanagement und Geoinformation, Jürgen Wittig, Vizepräsident der Ingenieurkammer Hessen, Lothar Dude-Georg, stellv. Leiter des Amtes für Bodenmanagement Marburg, , Mario Friehl, Vorsitzender des DVW Hessen, Wilfried Grunau, Präsident des VDV, Willibald Dores, Redaktion VDVmagazinPlus, und Friedhelm Roth, Ehrenlandesvorsitzender des VDV Hessen. Den ausstellenden Firmen Geo-Systeme Trimble, Herrn Volkland, und Leica Geosysteme, Herrn Villis, sowie die Fachreferenten, Prof. Dr.-Ing. Petra K. Schäfer, FH Frankfurt am Main und Prof. Dr.-Ing. Joaquin Diaz, Technische Hochschule Mittelhessen dankte er für die freundliche Unterstützung. Auch die Firma HHK sorgte, durch das Bereitstellen von Tagungsunterlagen, für ein gutes Gelingen der Veranstaltung.

 

Nach vielen persönlichen und fachlichen Gesprächen beim Begrüßungssekt und Kaffee eröffnete VDV-Landesvorsitzender Bernd Sack den Landesverbandstag mit einer Begrüßung der Mitglieder und Ehrengäste in der Universitätsstadt Gießen, die unter dem Motto „Auf zu neuen Ufern“ 2014 Gastgeber der Hessischen Landesgartenschau vom 26.04. – 05.10. ist. In einem Statement ging Bernd Sack auf den Beschluss der Bundesregierung im Jahr 2011 zum Ausstieg aus der Kernenergie ein. Dieses Energiekonzept, so Sack, setzt ehrgeizige Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien, mehr Energieeffizienz und weniger Treibhausgase. Die Energiewende ist ein gesellschaftliches Thema. Eine solche Herausforderung könne nur gemeinsam von Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft bewältigt werden. Deutschland habe das Potenzial, zum Leitmarkt für Energieeffizienz, Klimaschutz und den Ausbau erneuerbarer Energien zu werden. Wir Ingenieure setzen auf qualitatives Wachstum und vorausschauendes, verantwortliches Handeln. Wir sehen uns deshalb in der Verpflichtung und verstehen es gleichzeitig als Chance, diesen Markt entscheidend mit zu gestalten.

Das Zusammenleben in unserer Gesellschaft, so führte Sack weiter aus, ist heute ohne den Einsatz raumbezogener Informationen, sogenannten Geoinformationen, nicht mehr denkbar. Entscheidungen in Verwaltung und Wirtschaft werden schätzungsweise zu 80 % auf der Basis von Geoinformationen getroffen. Mittels eines Solarkatasters wissen Hausbesitzer mit wenigen Klicks, ob die Dachfläche ihres Hauses für eine Fotovoltaikanlage oder einen Sonnenkollektor für die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung geeignet ist. Auch hierbei sind Geodäten behilflich.

 

Geodäten stellen Produkte bereit, die Bund, Ländern und Kommunen das Katastrophen- und Energiemanagement erleichtern. Grundstücke, Gebäude, Immobilien – alles hat seinen Wert. Längst werden Immobilien auch global gehandelt – entsprechend wichtig sind präzise und aktuelle Wertermittlungen. Wertermittlung setzt voraus, dass Geodäten Unterlagen über das betroffene Objekt zur Verfügung stellen.

Welche Eigentümer, welche Flächen sind betroffen, welche Rechte (Dienstbarkeiten etc.) gibt es? Auch in der Wertermittlung bringen Geodäten ihre Fachkompetenz ein. In Gutachterausschüssen für Grundstückswerte sind sie mit ihrem Fachwissen in Experten-Gremien aus den Bereichen Bau, Bewertung und Planung vertreten.

Die genannten Herausforderungen und Aufgaben erfordern Kompetenzen, die Geodäten durch Ausbildung und berufliche Praxis in hohem Maße mitbringen. Insbesondere durch die vertieften Kenntnisse über die rechtlichen Verflechtungen zwischen Liegenschaftskataster, Planung und Bodenordnung und deren Querbeziehungen zu anderen Rechtsformen sind Geodäten gefragte Experten für eine optimale Kommunikation mit allen beteiligten Stellen. Angesichts des Fachkräftemangels und der Nachwuchsprobleme in den Ingenieurdisziplinen, insbesondere auch in der Geodäsie, steht es im Kontext zu der Nachwuchsplattform www.arbeitsplatz-erde.de, um bei jungen Menschen für ein Engagement in diesem attraktiven und zukunftsfähigen Berufsfeld zu werben.

 

Den Reigen der Grußredner eröffnete die Landrätin Anita Schneider. Sie überbrachte auch die Grüße der Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen, Dietlind Grabe-Bolz. Anita Schneider freute sich, die Mitglieder und Gäste in Gießen,  begrüßen zu dürfen und ließ die in diesem Jahr in Gießen stattfindende Landesgartenschau nicht unerwähnt. Sie stellte ihre Verbundenheit mit den Vermessungsingenieuren heraus, die in vielen öffentlichen Bereichen tätig sind. Bedauerlich sei aber der Rückgang an Fachkräften. Mit Interesse blickte sie auf die Fachvorträge. Der Landkreis Gießen habe zum Thema Elektromobilität erste Zeichen gesetzt und Elektrofahrzeuge angeschafft, was in einigen Landkreisen Hessens noch nicht der Fall ist. Auch im lebenslangen Lernen will der Kreis Gießen Vorreiter sein. Hier bietet die Kreisvolkshochschule Gießen Kurse zum Thema E-Learning an. Ebenfalls mit Blick auf die Zukunft fügte die Landrätin hinzu, dass der Landkreis Gießen ein Klimaschutzkonzept verabschiedet hat. Noch einmal stellte Schneider die Arbeit der Ingenieure heraus. Deren Knowhow ein wichtiger Standortfaktor für Deutschland ist. Die Aufgabe aller bestehe darin, das Interesse der Kinder für technische Disziplinen zu wecken.

Wolfgang Greilich knüpfte an die letzten Gedanken seiner Vorrednerin an. Um die Attraktivität des Ingenieurberufs zu steigern, empfahl er einen Besuch des Gießener Mathematikums. Hier werden naturwissenschaftliche Phänomene anschaulich dargestellt. In seiner beruflichen Tätigkeit als Notar und Anwalt für Baurecht weiß er die Arbeit der Geodäten an Grund und Boden sehr zu schätzen, gewährleiste diese doch Sicherheit für Grund und Boden. Dabei sei der Sachverstand der Ingenieure unerlässlich und unverzichtbar. Ingenieure sind der Garant für technische Innovationen.

 

Grüße des neuen Hess. Ministers für Wirtschaft, Energie, Verkehr, Landesentwicklung und Energie, Tarek Alwazir, übermittelte Karl-Heinrich Franz. Wie geht es mit dem öffentlichen Vermessungswesen seit Beginn der schwarz-grünen Regierung in Hessen weiter? Mit dieser Frage leitete Franz sein Grußwort ein. Das erste Primat der neuen Regierung heißt Einsparen. Die Hess. Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation muss folglich mit Einsparungen in ihrem Bereich rechnen. Sie hat aber gleichzeitig die gesetzlichen Aufgaben wie Bereitstellung von Geodaten oder Erhaltung und Neugestaltung der Kulturlandschaft durch Flurneuordnung zu erfüllen. Ebenso muss die Durchführung der Wasserrahmenrichtlinie gewährleistet werden. Hier ist zu prüfen, ob diese noch stärker in Flurbereinigungsverfahren umzusetzen ist. Positiv anzumerken sei hierbei, dass noch mehr EU-Mittel für die Flurneuordnung zur Verfügung gestellt werden können. Zum anderen ist seit 2008 ein Rückgang des Volumens der Kaufverträge festzustellen, was auch Auswirkungen auf das Betätigungsfeld der Vermessungsingenieure hat. Hessen liegt im Aufbau der Geodateninfrastruktur aus INSPIRE seit 2008 weit vorn, zum größten Teil sei diese umgesetzt worden. Zusammenfassend betonte Franz, dass das Vermessungswesen in Hessen gut aufgestellt sei, es leiste einen wichtigen Beitrag zur Infrastruktur. Aber auch die berufsständische Förderung sei ein wichtiges Anliegen der neuen hessischen Landesregierung. Der Kooperationsvertrag zwischen DVW, BDVI und VDV in Form der Geodäsie-Akademie sei ein guter Anfang dafür.

Jürgen Wittig, Vizepräsident der Ingenieurkammer Hessen IngKH, überbrachte in seinem Grußwort auch die Grüße des Präsidenten Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Meißner. Zwei Schwerpunktthemen waren ihm ein besonderes Anliegen, zum einen die HOAI und zum anderen die Nachwuchsförderung. So habe die Politik die Ingenieure in der Verabschiedung der HOAI „in die Pfanne gehauen“ und bescheinigte dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Rösler schlechte Arbeit. Dagegen fand und finde er in der Hessischen Landespolitik Unterstützung. Das Nachwuchsproblem sei deutlich erkennbar, so fehlen bundesweit hunderte von Ingenieuren und Technikern. Die IngKH hat sich dieses Thema auf die Fahnen geschrieben. So wurde auch die qualifizierte Ausbildung von Vermessungstechnikern in Verbindung zur HVBG initiiert. Zum Schluss bat Wittig um Unterstützung bei der Anwendung und Einhaltung der HOAI sowie zur Nachwuchsförderung.

Das Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation wurde durch dessen stellvertretenden Präsidenten, Gerd Köhler, vertreten, der die Grüße des Präsidenten, Dr. Hans-Gerd Terlinden, überbrachte. Köhler betonte seine Verbundenheit zum VDV, dem er mittlerweile 40 Jahre angehört. Auffällig sei für ihn die schnelle Entwicklung im Informations- und Kommunikationswesen, die an die Verwaltung immer neuere und größere Anforderungen stellt. Gern biete er dem VDV-Landesverband die Dialogbereitschaft des HLBG an.

Lothar Dude-Georg überbrachte die Grüße des Leiters des Amtes für Bodenmanagement Marburg und stellte fest, dass viele seiner Mitarbeiter im VDV sowohl im Bezirks- als auch im Landesverband engagiert sind. Wichtig sei, dass sich die Geodäten gut darstellen, denn diese stehen nur selten im Mittelpunkt der Gesellschaft.

VDV-Präsident Wilfried Grunau blieb nach all den ausführlichen Grußworten nicht mehr viel hinzuzufügen. Er griff die zuvor geäußerten Gedanken auf und betonte zusammenfassend, dass 80% aller Entscheidungen in der Verwaltung auf Geodaten beruhen. Auch sei das Engagement der Kolleginnen und Kollegen für den VDV immer noch wichtig, denn der VDV lebt von der ehrenamtlichen Arbeit. Wo ist der VDV unterwegs, diese Frage stellte Grunau in den Raum. Wir bewegen uns auf dem schönsten Planeten im Weltall. Besonders am Herzen liegen ihm die Weiterbildungseinrichtungen. Dazu sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung in durch die kürzlich ins Leben gerufenen GEODÄSIE-AKADEMIE unternommen worden. Als Interimspräsident des ZBI steht Grunau in engem Kontakt zur Politik. Nachwuchsförderung könnte seiner Ansicht nach bereits in den Grundschulen z.B. durch eine Kombination von Mathematik und angewandter Technik betrieben werden. Grunau griff auch das Thema des Promotionsrechts an Fachhochschulen auf. Auch angewandte Forschung sei Forschung, so Grunau und verwies auf höchstrichterliche Rechtsprechung.

 

Die beiden Fachvorträge wurden eingeleitet mit dem Thema: Neue Herausforderungen in der Stadt- und Verkehrsplanung durch die Einführung der Elektromobilität. Es referierte Prof. Dr.-Ing. Petra K. Schäfer, Fachhochschule Frankfurt am Main (University of Applied Sciences), Fachbereich 1 Architektur, Bauingenieurwesen, Geomatik. Sie gehört dort der Fachgruppe „Neue Mobilität“ an. Forschungsschwerpunkte sind die Verkehrsplanung und die Elektromobilität, beide stehen in engem Bezug zur Stadtplanung. Beschäftigt sich die Verkehrsplanung überwiegend mit Intermodalität, Verkehrsmittelwahl, Veranstaltungsverkehr Parkraumgestaltung und –management, so geht die Elektromobilität mehr auf ökonomische Aspekte wie Mobilitätsverhalten, Verkehrsintegration, Nachhaltigkeit, Ladeverhalten, Nutzerakzeptanz und Kosten ein. Wer ist Antreiber der Elektromobilität? Zum einen der Innovationsmotor selbst, zum anderen der Anstoß durch die erneuerbaren Energien, dann auch das nachhaltige Mobilitätsverhalten, die Abhängigkeit vom Öl und der Verkehrslärm. Am Markt, d.h. auf den Verkehrswegen, besteht für die Elektromobilität unterschiedlicher Bedarf. Moderne öffentliche Verkehrsmittel (Schienenfahrzeuge, E-Bus und Hybrid-Bus) ebenso wie der Individualverkehr (E-PKW, Hybrid- und Leichtbaufahrzeuge sowie Sonderfahrzeuge) benötigen grundsätzlich zwei Spuren, E-Roller, E-Bikes und Pedelecs dagegen nur eine Spur. Für den Einsatz des E-Busses stellt sich dann die Frage, wird ihm die passende Route zugewiesen oder wird kontinuierlich an speziellen Haltestellen nachgeladen? Beim Hybridbus dagegen verringert die Hybridtechnik den Dieselverbrauch erheblich und nutzt ansonsten verlorene Energie. Eine Geräuschreduktion ist insbesondere beim Anfahren bemerkbar.

Auf dem PKW-Sektor hat die Industrie die unterschiedlichsten (teil-)elektrischen PKW entwickelt. Schaut man sich die Neuzulassungen von 2013 in Deutschland an, stellt man fest, dass der Anteil an Elektro-Pkw mit insgesamt 6.051 noch sehr gering ist (0,2 %), die Hybrid-PKW aber mit 26.348 fast die 1 % Marke von insgesamt 2.952.431 Neuzulassungen erreichten. Am Gesamtbestand der PKW im Jahr 2014 von 43.851.000 liegt sowohl der Anteil der Elektro-PKW mit 0,03 % als auch der Anteil der Hybrid-PKW (0,2 %) natürlich weit darunter.

Leichtbaufahrzeuge werden überwiegend in Manufakturen oder im Eigenbau gefertigt, Segways finden wir zunehmend in Innenstadtbereichen im öffentlichen Einsatz (Polizei). Zu den Sonderfahrzeugen zählen Müllhybridsammelfahrzeuge und Elektrolieferwagen. Elektrische Zweiräder sind E-Roller, E-Bikes (selbstfahrende Zweiräder bis zu 45 km/h; es besteht Führerschein-, Versicherungs- und Helmpflicht) und die Pedelecs (gleicht einem Fahrrad mit Tretunterstützung bis zu 25 km/h). Ein Vergleich der Verkaufsentwicklung von elektrischen Zweirädern von 2010 bis 2013 zeigt, dass diese gut angenommen werden (2010: 200.000 und 2013: 430.000 Verkäufe).

Wie wirkt sich nun die Elektromobilität auf die Verkehrsplanung aus? Im Grunde ändert sich die Planung für die Verkehrswege und die Parkräume selbst (Fahren und Parken) nicht erheblich. Besondere Beachtung muss aber das Laden der Fahrzeuge an den unterschiedlichsten Stellen finden. Beim Fahren selbst wird vorerst die Dimensionierung der Fahrzeuge bestehen bleiben, ebenso der Verkehrslärm ab einer Geschwindigkeit von mind. 30 km/h, wo hauptsächlich Abriebgeräusche in Erscheinung treten. Ändern, so Prof. Schäfer, könnte sich die Lärmreduktion bei Geschwindigkeiten unter 30 km/h. Auch könnte man mit einer Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit im Radverkehr rechnen. Eine mögliche Änderung könnte auch in der Benutzung der Busspur für E-PKW oder in der Bevorrechtigung beim Befahren von Stadtgebieten (z.B. Umweltzone/Maut) eintreten. In der Parkraumgestaltung geht man grundsätzlich von einer Beibehaltung der Dimensionen der Stellplätze aus, erforderlich ist aber eine Neuordnung und Ergänzung des Stadtmobiliars, z.B. für Ladestationen. Induktives Laden über die Fahrbahn würde bauliche Maßnahmen notwendig machen. Wo kann geladen werden? Natürlich in erster Linie zuhause: in der eigenen Garage (Wallbox), im (Solar-)Carport (Speicher und Wallbox), möglicherweise auch an einer Laterne (interessant für sog. Laternenparker); an der Arbeitsstelle: dabei sind aber rechtliche Aspekte der Stromlieferung, Investitionskosten für die Ladeinfrastruktur und Betriebs- und Instandsetzungskosten in Erwägung zu ziehen; oder unterwegs: an der Tankstelle (i.d.R. Schnellladepunkte), im öffentlichen Straßenraum (Langsam- oder Schnellladen) bzw. im Parkhaus. Die Verkehrsplanung muss hier ganzheitliche Ansätze bieten. Zu bedenken, dass ist die Reichweite eines reinen E-PKW mit 100 – 150 km sehr begrenzt ist. Fahrten des Alltags sind i.d.R. unproblematisch. Probleme entstehen jedoch bei Freizeit- und Urlaubsfahrten oder langen Pendelstrecken mit einer Tagesleistung von mehr als 100 km. Es besteht somit eine Abhängigkeit von Lademöglichkeiten am Start- und Zielort. Lösungsansätze dazu wären der Plug-in Hybrid und der Range Extender PKW sowie multi- und intermodale Verkehrsangebote, was grundsätzlich zu Änderungen im Mobilitätsverhalten führen muss. Jeder Benutzer eines E-Fahrzeugs wird mit Fragen wie, wann muss geladen werden, wann kann geladen werden, wo kann geladen werden, und wie lange kann geladen werden, konfrontiert. Dabei spielen der eigene Zeitbedarf, die Reichweite seines Fahrzeugs und damit verbunden das eigene Sicherheitsgefühl aber auch die Kosten und Wartung eine große Rolle. Zu bedenken ist, dass ein Langsamladen auf 100% 5 – 9 Stunden beansprucht, ein Schnelladen auf 80% immerhin noch 30 – 90 Minuten kostet. An zwei Beispielen deutscher Städte veranschaulichte Prof. Schäfer ihre Ausführungen. So wurde in der hessischen Stad Offenbach eine intermodale E-Mobilität eingeführt. Es handelt sich dabei um eine intermodale Verknüpfung an der „eMobil Station“ mit E-Carsharing, Pedelecsharing, E-Bus Halt und S-Bahn Halt. Damit verknüpft ist eine intermodale Information und Preisgestaltung durch entsprechende Ticketautomaten bzw. Webseiten oder Apps, eine intelligente Kombination aller Verkehrsmittel und ein integriertes Tarifsystem mit eTicket. Freiburgs Stadtteil Vauban hat bereits die neue Richtung eingeschlagen. Hier wurden einem größeren Teil der bebauten Grundstücke keine Stellplätze mehr zugewiesen. Stattdessen wurden Quartiersgaragen geschaffen und an beiden Enden des kleinen Stadtteils befinden sich Stadtbahnhaltestellen.

Vorteilhaft für die Elektromobilität, so Prof. Schäfer, sei auch das (E)Carsharing, könne man doch die Fahrzeuggröße und Reichweite je nach Anforderung auswählen. Elektromobilität in der Stadtplanung bedeute also, die Stadtstruktur zu verändern durch Umweltzonen, Ausbau von Velo/Stadtbahnringen, Velo- und E-Bus-Routen, Verknüpfungspunkte in Form von Fernbahnhöfen und Park & Ride, Haltemöglichkeiten für Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs usw. Auch in der Architektur ist darauf zu achten, die Integration von Ladeinfrastrukturen in Gebäuden zu ermöglichen. Es sind somit ganzheitliche Konzepte für den fließenden Verkehr, die Ladeinfrastruktur und das Wohnen verknüpft mit intermodalen Angeboten zu entwickeln.

Zwei Fazite zog Prof. Schäfer zum Schluss. Fazit 1: Die Reduzierung des PKW-Verkehrs im städtischen Umfeld ist auch mit der Elektromobilität notwendig. Für Kurzstrecken von 5 – 12 km sind Pedelecs prädestiniert und könnten so innerstädtische Bereiche vom PKW-Verkehr entlasten. Die begrenzte Reichweite und lange Ladezeiten von E-PKW können bestehende Mobilitätsgewohnheiten ändern. Fazit 2: Intermodale Mobilitätsangebote mit einheitlicher Preisstruktur stärken den Verkehrsmittelverbund, weil alles leichter zugänglich und verständlicher wird. Das E-Carsharing kann einen sanften Einstieg in die Elektromobilität bieten, weil die finanziellen Hemmnisse gering sind. Ordnungsrechtliche Maßnahmen können der Stadt- und Verkehrsplanung helfen, die Ziele leichter zu erreichen. Die Stadtplanung muss weiter nach integrierten Lösungen suchen, um den vielfältigen Ansprüchen an städtische Quartiere gerecht zu werden.

 

E-Learning als strategisches Weiterbildungselement, so das zweite zukunftweisende Thema von Prof. Dr.-Ing. Joaquin Diaz. Diaz, promovierte nach Abschluss des Bauingenieurstudiums an der TH Darmstadt zum Thema „Objektorientierte Modellierung geotechnischer Systeme und zeigte somit seine Nähe zur Geodäsie. Er ist Professor für Bauinformatik und nachhaltiges Bauen sowie Dekan im Fachbereich Bauwesen an der Technischen Hochschule Mittelhessen. Sein Referat leitete er mit einem historischen Überblick zum Thema ein. So gab es bereits die ersten Ansätze zum E-Learning in den 1960er Jahren und wurde durch die Entwicklung in der IT-Branche unterstützt. Der Begriff „E-Learning“ hat sich aber erst Mitte der 1990er Jahre etabliert. Initiativen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung waren u.a. „Schulen ans Netz“, die aber Ende 2012 eingestellt wurden, „Neue Medien in der Bildung“ und die „Notebook-University“. Seit 2000 sind neue Tendenzen im E-Learning erkennbar: Hybrides Lernen/blended learning, eine Mischung aus Präsenzlernen gestützt durch Online-Phasen. E-Learning (electronic learning) ist elektronisch unterstütztes Lernen. Lernen, welches über elektronische Medien durchgeführt wird. In der Regel geschieht dies über das Internet. Elektronisches Lernen hängt aber von den Eigeninitiativen des Einzelnen ab, effektiv zu studieren, so die Definition des Oxford Dictionary. Zu den E-Learning Methoden zählen u.a. das Web and Computer Base Training, Autorensysteme, Simulationen, die Videokonferenz, Learning Management Systeme (LMS) und Learning Content Management Systeme (LCMS). Dazu gehören verschiedene Formen wie virtuelle Lehre, Blended Learning, Content Sharing, Learning Communities, Computer-Supported Cooperative Learning, das virtuelle Klassenzimmer, Prozessvisualisierung modularer Inhalte im Rahmen von E-Learning, 3-D-Infrastruktur-Plattformen.

Im Vergleich zu traditionellem Unterricht fällt beim E-Learning ins Auge, dass erste Darstellungen durch Videos und e-doc bereits vor dem Besuch der Vorlesung ermöglich werden. Die Vorlesung selbst bietet dann vertieftes Lernen durch Übungen und Aktivitäten an. Zudem wird die Zeit für die Nachbereitung minimiert und die nächste Vorlesung kann vorbereitet werden. Zu volle Vorlesungssäle und feste Zeiten gehören der Vergangenheit an, denn E-Learning garantiert unbegrenzte Kursgröße. Kurse sind immer und überall erreichbar. Bildungsweg und Tempo wird vom Lernenden selbst bestimmt. Die Didaktik des Dozenten unterliegt nicht mehr der Frage, was lehre ich den Studierenden, sondern, welche Aufgaben in welcher Form gebe ich den Studierenden, damit sie möglichst selbstständig und nachhaltig lernen.

Das Lernen selbst kann unmittelbar durch die Möglichkeiten des Einsatzes E- und Blended Learning erweitert werden, z.B. in Form von Testfragen, Links/Literatur und Online-Material. Die Vorteile des E-Learning liegen auf der Hand: Zentraler, einheitlicher Zugang zu allen Lehr- und Lernmaterialien, Integration der Bibliothek in den Dokumenten-Flow, Führung durch Lerninhalte, Interaktive Tests (dadurch leichte Kontrolle des Lernerfolgs), Kostenersparnis bei Material und Anreise, gleiche Qualität der Inhalte und Bildung für alle, arbeitsplatznahe Weiterbildung (hohe Flexibilität), Lerntempo und Wiederholung werden selbst bestimmt, die Ansprache mehrerer Wahrnehmungskanäle (Lernertypen) wird ermöglicht, computeraffine Menschen werden bedient, keine „Bloßstellung bei Wissenslücken. Dennoch sind auch Nachteile im E-Learning zu nennen: Lerninhalte werden oft von technischen, statt von didaktischen Faktoren bestimmt, fehlende Interaktion / mögliche Isolation verhindert gruppendynamische Lernprozesse, hohe Eigenmotivation, Disziplin und Selbstlernkompetenz ist notwendig, keine sofortige didaktische Reaktion des Lehrers und zu wenige Pädagogen arbeiten im E-Learning Bereich, Umgang mit den verschiedenen Publikationsformen (Medien) muss ggf. vom Lernenden erst gelernt werden, Bildschirmlernen ist ermüdender als Lernen vom Papier, Erfahrungsaustausch wird erschwert.

Interessant war auch zu wissen, welche E-Learning-Techniken international am häufigsten genutzt werden. Dies sind vor allem Web Based Training (74 %), Computer Based Training (61 %), Blended Learning (55 %) und der Virtuell Classroom (41 %). 35 % der Deutschen haben bereits Erfahrung mit E-Learning. Dabei treten Online-Nachschlagewerke mit 70 % an die erste Stelle, gefolgt von Computer-Trainings (57 %) und Online-Trainings (52 %). Foren oder Online-Communities, Apps, Blended Learning oder das virtuelle Klassenzimmer liegen weit darunter. Welche Bedeutung E-Learning für die Gesellschaft noch haben wird, zeigte Prof. Diaz anhand der Halbwertszeit des Wissens. Diese sei mittlerweile auf etwa 2–6 Jahre geschrumpft. Ursache dafür seien neue Normen und neue Produkte und/oder Techniken. Als Beispiel nannte er die Automobilindustrie. Hier haben wir alle 2–3 Jahre ein Facelift und alle 3-6 Jahre Innovationen. Noch prägnanter ist das in der IT-Branche zu spüren. Jährlich kommen neue Produkte auf den Markt, alle 3-5 Jahre werden neue Systeme entwickelt. Daher sind ständige Weiterbildungen notwendig. Der Vorteil von E-Learning für Unternehmen liegt darin, dass sich die Kosten deutlich reduzieren. So ist das Fernbleiben vom Arbeitsplatz aufgrund von externen Weiterbildungen oder Tagungsgebühren mit höheren Kosten verbunden. Folglich ist eine Mischform aus der klassischen Weiterbildung und modernem E-Learning wünschenswert. Teilnahmequoten an Weiterbildungen nach unterschiedlichen Berufsgruppen (hochqualifizierte Erwerbstätige) verdeutlichen, dass mehrtägige Lehrgänge Standard sind. Der Durchschnitt liegt bei 59 %. Überdurchschnittlich ist die Quote bei Ärzten/Apothekern (85 %), bei Lehrern (71 %), bei administrativ entscheidenden Beschäftigten (71 %), Ingenieuren (61 %), allerdings bei Informatikern und Rechnungskaufleuten nur 54 %. Im internationalen Vergleich lag die Fortbildungsquote deutscher Erwerbstätiger 2011/12 bei 50 %. Hier hatten die Schweden mit 72 % die Nase vorn, gefolgt von den Luxemburgern (70 %) und den Schweizern (60 %). Ganz hinten ordnen sich mehrere osteuropäische Länder mit Quoten von teilweise unter 30 % (z.B. Polen mit 24 %) ein.

Lernen mit neuen Informationstechnologien. Mit einigen Beispielen dazu rundete Prof. Diaz sein Thema ab. An der THM wurde eine Konstruktions-Koordination-Kooperation (5D) abgeschlossen. Das 5D-Modell – oder virtuelles Bauwerksmodell – bildet die Basis für alle Elemente der Projektsteuerung einschließlich der Analyse zur Konstruierbarkeit, zum Kostenmanagement und zur Dokumentation des Bauwerks. Ferner führte Diaz das eStudy-Projekt auf. Dessen Ziel und Mission ist, das Lehren und Lernen an der THM besser zu organisieren. Eine sog. Lernplattform ist kein Ersatz für den Besuch von Vorlesungen, Übungen, Praktika und Seminaren, sondern soll die Organisation und Betreuung dieser Veranstaltungsformen optimieren. eStudy ermöglicht die Kommunikation und Zusammenarbeit unter allen Beteiligten – Studierenden und Lehrenden –, und zwar vor und nach der Veranstaltung. Die Anforderungen an eine Lernplattform wurden von Studierenden der THM ermittelt und in Informatik-Projekten umgesetzt. Der Hinweis auf die studentischen Entwickler/innen soll unterstreichen, dass diese Plattform von Studierenden für Studierende geschaffen wurde und ständig weiterentwickelt wird.

Interessant war von Prof. Diaz zu hören, dass die Vorlesungen trotz der Nutzung des E-Learning immer gut besucht werden.

Wohin geht die Entwicklung des Lernens? Befand sich im 20. Jhd. der Tutor im Zentrum, steht im 21. Jhd. das Team im Zentrum, statt der Vorlesung und des individuellen Lernens treten Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens und gruppenorientiertes Lernen in den Vordergrund. Erweiterung der Fähigkeiten und dynamische Inhalte ersetzen Übertragung von Informationen und statische Inhalte. Prüfungen und Tests des 20. Jhd. verlieren an Bedeutung und Anwendung und Leistungssteigerung treten hervor. Das Fazit von Prof. Diaz: E-Learning muss Teil der Bildungsstrategie sein, sie ist eine Investition in die Qualität der Bildungsprozesse, ein zentraler, einheitlicher Zugang für alle Lehr- und Lernmaterialien erhöht die Qualität und sollte gefördert werden. Die traditionelle Bildungsform sollte durch E-Learning lediglich unterstützt – nicht ersetzt – werden.