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"Tachymeter = ein moderner Rechner mit was zum Durchgucken dran" - Besuch des Distribution Center Köln der Fa. Leica Geosystems GmbH vom 12. Juni 2014


Unsere Einladung „Besuch bei Leica Geosystems in Köln“ stiftete einige Verwirrung, denn die Bonner und Kölner VDV’ler hatten von einer Leica-Repräsentanz in Köln noch nie etwas gehört, und auch eine Recherche im Internet dazu brachte keine Lösung. Umso größer war die Überraschung über deren Größe beim Betreten der „schweizerischen Enklave“ auf dem ehemaligen Kölner Sony-Gelände.


Dr. Klaus Fritzensmeier begrüßte die Gruppe und stellte zunächst den Leiter des Auslieferungszentrums (Distribution Center Cologne/DC), Dirk Winnes, vor. Dieser erklärte den Standort Köln innerhalb der Leica Geosystems AG in der Weise, dass das DC zunächst ein reines Auslieferungslager für den EU-Raum ist, in dem sehr viel „Material“ bewegt wird. Gleichzeitig ist eine zentrale Servicewerkstatt angegliedert, in der fast hoffnungslose TPS-Reparaturfälle wieder einsatzfähig gemacht werden, und dies alles nach Vorgaben aus Heerbrugg, dem Leica Geosystems Stammsitz in der Schweiz.

 

 

 Bild 1: während des Vortrages von Dr. Klaus Fritzensmeier (Foto: Andrä) - für Vergrößerung auf das Bild klicken

 

Da sich im grenzüberschreitenden Warenverkehr zwischen der Schweiz – als Nicht-EU-Land – und der EU aus zollrechtlichen Gründen längere Lieferzeiten nicht vermeiden lassen, wurde 2008 in Köln dieses Auslieferungszentrum aufgebaut, um den europäischen Kunden einen wesentlich schnelleren Lieferservice bieten zu können. Ein Vorzug für Köln war die Nähe zum Flughafen Köln/Bonn, der als europäisches Drehkreuz von UPS dient, mit dem Leica Geosystems den Großteil seiner Transporte abwickelt.


Wer ein Instrument kauft und es dann ausgeliefert bekommt, wird in der Regel nicht erahnen, was so alles passiert, damit sein Instrument so bei ihm ankommt, wie er es geordert hat. Bevor Dr. Fritzensmeier sein einstündiges Referat begann, war auch uns das nicht klar. So werden alle Instrumente für den europäischen Markt von der Schweiz nach Köln als „nackte“ Instrumente geliefert. Erst hier wird z. B. das mitbestellte Zubehör, die Instrumenten-Firmware in der gewünschten Sprache sowie evtl. gesondert bestellte Applikationsprogramme und landesspezifische Dokumente dem Instrument beigefügt. Es wird konfektioniert. Ziel des DC ist es, das Instrument sehr schnell, vollständig und wie bestellt auszuliefern.


Heute kann man ein Tachymeter nicht mehr als autarkes Instrument sehen. In der Regel ist er ein Bestandteil von unterschiedlichsten Arbeitsprozessen oder Produktionsketten. Besondere Berücksichtigung muss dies z. B. bei Softwareupdates für ein Instrument finden. Sofern das Tachymeter eher solo eingesetzt wird, also nirgendwo eingebunden ist, ist ein Firmware-Update per Online-Download der Stand der Technik, und fertig ist das „neue Instrument“. Ist das Instrument dagegen Teil einer Prozesskette, wie z. B. in der Landmaschinensteuerung oder im Straßenbau zur Fertigersteuerung, ist immer zu prüfen, ob das jeweilige Update auch zur übrigen Prozesskette mit ggfs. vorhandener spezieller Software oder Systemkomponenten passt. Da müssen dann Kenner der Materie ran. Und dies sind auch externe Softwareunternehmen, die dem Hause Leica Geosystems nahestehen.


Für uns Zuhörer gab es hier so manche neue Information, über die man selbst als Benutzer nicht nachdenkt. Da kommt ein neues Instrument, eine neue Software oder Update. Und das funktioniert so, wie man es erwartet, ohne dieses Hintergrundwissen.

 

 

Bild 2: Schnittbild eines Leica TPS 1200 (Foto: Bull)

 

Nach diesem umfassenden Überblick stand uns Jürgen Anders zur Verfügung, der uns als Leiter des Zentralen Technischen Service Köln (CTS Cologne) – der Reparaturwerkstatt für besonders harte Fälle – in die Praxis entführte. Die Spezialisten hier bekommen diejenigen Tachymeter-Reparaturen auf die Werkbank, die in den autorisierten Service-Werkstätten nicht repariert werden dürfen, da nur im CTS die hierfür benötigten Prüfeinrichtungen zur Verfügung stehen.

 

 

Bild 3: Dieser Tachymeter wurde Opfer einer Sprengung


Als erstes wird ermittelt, was eine Reparatur voraussichtlich kosten wird und ob sie ggfs. sinnvoll ist. Bei gestürzten Instrumenten ist dies für die Spezialisten relativ einfach abzuschätzen. Falls der Benutzer aber mit Fehlerbeschreibungen kommt, „mein Instrument ist manchmal bei der Messung auffällig, aber eben nicht immer“, dann wird es schon schwieriger. Oft hilft dann der Test in der vor Ort befindlichen Klimaanlage, in der von -20° bis +50° C umfangreiche Testmessungen durchgeführt werden können. So ist u.a. außerhalb der Klimakammer ein hochgenauer Kollimator angebracht. Durch ein Spezialfenster können während des gesamten Temperaturbereichs Kontrollen gemessen und Fehler lokalisiert werden.

 

Bild 4: Kein Abstellraum, sondern eine Klimakammer mit den Kölner Kollegen Norbert Günnewig und Max Soppelsa (von links)

 

Jürgen Anders erläuterte viele Details zu Reparaturen, zu Schadensfällen und zum Aussehen eingelieferter Instrumente, die immer wieder neue Herausforderungen mit sich bringen. Dazu konnte er auch einige Beispiele an „schrottähnlichen“ Instrumenten zeigen.


Reparaturen moderner Tachymeter stützen sich häufig auf den Austausch von Modulen und Boards. Aber welche dieser Baugruppen ist jeweils defekt, das ist die Frage, bei der Vielzahl, die in einem Tachymeter stecken. So waren in dem in der Klimakammer stehenden Instrument z. B. 13 Temperaturfühler in entsprechenden Modulen verbaut. Jeder Einzelne kann möglicherweise Ursache einer Auffälligkeit sein – und das ist nur ein winziger Bauteil eines Moduls. Mit solchen Beispielen wusste Jürgen Anders uns in die „Eingeweide“ eines Tachymeters zu entführen. Dass Messfehler nicht selten auch durch defekte oder falsch eingesetzte Dreifüße entstehen, konnte Dr. Klaus Fritzensmeier ergänzen, ebenso, dass nach Produktionsende eines Instrumententyps Leica Geosystems noch für weitere 5 Jahre die Ersatzteillieferung garantiert.


Wenn die sogenannte Stütze eines Tachymeters getauscht werden muss, ist eine Vielzahl von Prüfungs- und Justierungsmessungen erforderlich. Eine Herausforderung ist es, die präzise Streckenmessung zu kontrollieren. In Köln ist dazu ein Microbase-Präzisionsentfernungsmesser vorhanden, mit dem die hauseigene EDM-Basislinie kontrolliert wird. Dieses Prüfinstrument besitzt eine Auflösung von 1/1000 mm. Eine zweite Microbase ist im zyklischen Einsatz bei den 11 autorisierten Werkstätten im Umlauf und garantiert auch dort die hohe Genauigkeit der EDM-Prüfstrecken.


Das waren zum Schluss dann 2 1/2 Stunden gefüllt mit technischen Daten, Hintergrundinformationen und der Erkenntnis, dass die Aussage: „ein Tachymeter ist ein moderner Rechner mit was zum Durchgucken dran“ stimmt und hinter einem Instrument ein großes Know-How steckt.


Für diese umfassenden Informationen bedanken sich die VDV-Kollegin und Kollegen aus Bonn und Köln bei Dr. Klaus Fritzensmeier und Jürgen Anders ganz herzlich.

 

Text: Rolf Bull
Bilder: Kurt Andrä und Rolf Bull

 

 


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