Zu einer Premiere hatte der Bezirksvorstand im April eingeladen. Zwei Referenten zu verschiedenen Themen standen bereit und 23 Teilnehmer füllten den Veranstaltungsraum. Was die Berichterstatter besonders erstaunte, war, dass viele der Anwesenden mit den Themen beruflich verbunden waren. Die mit der „normalen Vermessung Vertrauten“ waren nur eine Handvoll, was beweist, wo unsere Berufsausbildung „hinführen“ kann.
Dipl.-Ing. Christof Linnemann, Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in der Bundesstadt Bonn stellte in seinem Vortrag zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Aufgaben und die Zusammensetzung der Gutachterausschüsse ganz allgemein dar.
Die Ursprünge der Grundstücksbewertung lagen in dem preußischen Grundsteuergesetz von 1833. Die seinerzeitige Zielsetzung galt primär der Steuererhebung, was heute letztlich in die Aufgaben der Finanzbehörden und Steuerbehörden übergegangen ist. Im Jahre 1961 wurde dann auf der Grundlage des damaligen Bundesbaugesetzes (BBauG), heute Baugesetzbuch (BauGB), erstmals Gutachterausschüsse eingerichtet, um den Grundstücks- und Immobilienmarkt im Land transparent zu machen. Heute bilden weitere Verordnungen wie das BauGB und die Immobilienwertermittlungsverordung (ImmoWertV) die gesetzliche Grundlage für die Gutachterausschüsse.
Christof Linnemann als Vertreter des Gutachterausschusses in Bonn stellte Tätigkeiten des Gutachterausschusses selbst sowie der Geschäftsstelle in Bonn vor. So werden z. B. pro Jahr bis zu 3.000 Kaufverträge von bebauten und unbebauten Grundstücken, Wohnungs- und Teileigentum ausgewertet und für den jährlich erscheinenden Grundstücksmarktbericht zusammengestellt. In diesem Grundstücksmarktbericht werden u. a. die jährlich aktualisierten allgemeinen Umsatzdaten veröffentlicht sowie die für Sachverständige wichtigen wertrelevanten Bewertungsfaktoren wie Liegenschaftzinssätze, Sachwertfaktoren und sonstige Umrechnungsfaktoren zusammengestellt. Außerdem sind im Bonner Grundstücksmarktbericht Immobilienrichtwerte und Übersichten von Büro- und Gewerbemietspannen veröffentlicht, die in den verschiedenen Bonner Lagen im Laufe eines Jahres mittels Anschreibeaktionen abgefragt und ausgewertet werden.
Außerdem werden neben dem Grundstücksmarktbericht jährlich die zonalen Bodenrichtwerte für unbebaute Wohn- und Geschäftsgrundstücke sowie für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke abgeleitet. Diese werden aus den eingegangenen Kaufverträgen entnommen und können im Internet unter www.boris.nrw.de jedes Jahr abgefragt werden.
Auch werden durch den Gutachterausschuss kostenpflichtige Verkehrswertgutachten für private und öffentliche Auftraggeber erstellt. In diesen Fällen bereiten Mitarbeiter der Geschäftsstelle die Gutachten mittels der vorliegenden planungsrechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten vor. Anschließend berät ein mindestens dreiköpfiges Gremium aus ehrenamtlich bestellten Sachverständigen (in Bonn derzeit 19 ehrenamtliche Sachverständige + 1 Vorsitzende + 4 stellv. Vorsitzende) und einem Vorsitzenden über den Verkehrswert und legt somit mit dem Gutachten eine unabhängige, sachverständige Grundlage für das weitere Vorgehen fest.
Der Vortrag endete nach etwa 60 Minuten und hätte aufgrund der aufkommenden Diskussion noch weiter ausgedehnt werden können, aber der zweite Referent stand schon in den Startlöchern, um über das zweite Thema des Abends, „Der qualifizierte Mietspiegel in Bonn“ zu berichten.
Der Referent Dipl.-Ing. Joachim Konzen ist Mitarbeiter des Sachgebietes „kommunale Bewertung“ beim Amt für Bodenmanagement und Geoinformation in Bonn. Er ist seit etwa 1990 schwerpunktmäßig mit der Mietsachbearbeitung beschäftigt und hat sämtliche in Bonn erstellte Mietspiegel auf Arbeitsebene verantwortlich betreut. An diesem Abend hatte er den aktuell gültigen Mietspiegel 2022, der auf dem Mietspiegel 2020 basiert sich als Thema gewählt und hierbei vier Schwerpunkte herausgearbeitet und vorgetragen.
Im Rahmen einer Gesamtdatenerhebung in den Jahren 2019/2020 wurden mittels Interviewerbefragung die statistisch ausgewählten Mieter und Vermieter befragt. In diesem Zusammenhang erläuterte Herr Konzen anhand einiger Beispiele auch die Problematik der Datenerhebung aus den Befragungen der Mieter und Vermieter. Diese so ermittelten Daten wurden in annonymisierter Form gesammelt, statistisch ausgewertet und in Form eines Berechnungsmodells im Jahre 2020 der Öffentlichkeit sowohl digital als auch analog zur Verfügung gestellt. Der Rat der Stadt Bonn hat den qualifizierten Mietspiegel am 1. September 2020 beschlossen. Der Mietspiegel ist auf Basis einer repräsentativen Stichprobe nicht preisgebundener Wohnungen in Bonn nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen entstanden ist somit qualifiziert im Sinne § 558d BGB.
2. Einflussgrößen zur Ermittlung der ortsüblichen Miete
Im Rahmen der Auswertung wurde unter externer wissenschaftlicher Begleitung die statistisch signifikanten Einflußgrößen herausgearbeitet. Exemplarisch wurden hier die verschiedenen Baujahrsgruppen, die Wohnlage, und verschiedene Ausstattungskriterien der Wohnungen im Vortrag genannt.
3. Übersichten über die Betriebskosten und Stellplatzmieten in Bonn
Joachim Konzen stellte in kurzer Form dar, dass die abgefragten Mietdaten aufgrund der unterschiedlichen Mietvertragsinhalte teilweise um Betriebskosten und Stellplatzmieten bereinigt werden mussten. Dies war notwendig, um die Mieten möglichst ausstattungsbereinigt auf ein einheitliches Niveau zu bringen und so eine saubere statistische Auswertung zu gewährleisten.
4. Fortschreibung des Mietspiegels zum 30.06.2022
Der derzeit gültige Mietspiegel 2022 wurde zum Stichtag 30. Juni 2022 nach zwei Jahren entsprechend der allgemeinen Marktentwicklung angepasst. In diesem Fall wurde keine neue Datenerhebung vorgenommen sondern lediglich der bestehende Mietspiegel entsprechend der Steigerungsrate des „Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland“ um 5,5 % fortgeschrieben. Auch dieser Fortschreibung des qualifizierten Mietspiegels hat der Rat der Stadt Bonn in seiner Sitzung am 5. Mai 2022 zugestimmt.
Joachim Konzen legte abschließend noch einmal dar, dass ein qualifizierter Mietspiegel in der vorliegenden Art sowohl Mieter und auch Vermieter eine gute und rechtssichere Handreichung für eine Mietanpassung bietet. Gerichtliche Streitigkeiten sind seit dem Zeitpunkt, an dem es den qualifizierten Mietspiegel gibt, deutlich zurück gegangen.
Ausblickend auf die Zukunft wies der Referent darauf hin, dass der neue Mietspiegel 2024 bereits in Vorbereitung sei und die Mieter- und Vermieterbefragung im Herbst diesen Jahres beginnen wird, um pünktlich im Sommer 2024 wieder einen aktuellen Mietspiegel präsentieren zu können.
Nach dieser geballten Ladung Information zum Gutachterausschuss und zum Mietspiegel war man allgemein überrascht, dass diese Themen derart viel Informationen geboten haben. Letztlich hätte man diese beiden Themen auch an zwei unterschiedlichen Abenden anbieten können. Stoff hätten beide geboten.
Rolf Bull / Ralf Pitzen